Wenn Mutter und Sohn gemeinsam die Lehre beenden
Text: Daniel Göring, Fotos: Sandro Hügli
«Ich bin stolz, dass wir es beide geschafft haben», erklärt Yvonne Zurbrügg und schaut strahlend nach links. Dort sitzt ihr Sohn Levi und lächelt verschmitzt zurück. «Es ist cool. Ich bin glücklich, dass meine Mutter das gemacht hat.» Was Mutter und Sohn in Hochstimmung versetzt, ist ein beruflicher Meilenstein, den die beiden gleichzeitig erreicht haben: den erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung als Fachperson Gesundheit.
Während Levi im fmi-Spital Frutigen die dreijährige Lehre durchlief und nebenher die Berufsmatur machte, absolvierte Yvonne in den oberen Stockwerken – im Seniorenpark Frutigen – die zweijährige Ausbildung. Da sie zuvor während über zwei Jahren auf der dortigen Demenzstation gearbeitet und in ihrer Jugend einen Abschluss als Pharma-Assistentin gemacht hatte, konnte sie die verkürzte Form der Ausbildung absolvieren (s. Kasten).
Levi Zurbrügg hat seine Ausbildung im Spital Frutigen gemacht und nebenher die Berufsmatur absolviert. Jetzt sind erst mal Ferien angesagt. Danach kommt er ins Spital zurück.
Wie ist es dazu gekommen, dass nach dem Sohn auch Mutter Zurbrügg eine Ausbildung in der Pflege in Angriff genommen hat? Die Antworten der beiden gleichen sich fast bis aufs Komma. «Mir gefällt der Kontakt mit den Leuten, in kaum einem anderen Beruf ist man ihnen so nahe wie in der Pflege.» Levi ergänzt, dass er es schätze, eine Person in einer für sie nicht einfachen Situation begleiten zu können. Und Yvonne fügt hinzu: «Als Pharma-Assistentin hatte ich zwar auch mit Menschen zu tun, aber nachdem ich ihnen ein Medikament über den Tresen gereicht hatte, sah ich sie in der Regel nicht wieder.»
«In kaum einem anderen Beruf ist man den Leuten so nahe wie in der Pflege.»
Wie aber war es für die beiden, die Mutter und den Sohn nicht nur zu Hause, sondern auch in der Lehre Tür an Tür zu wissen? Während Yvonne laut eigener Darstellung keine Probleme damit bekundete, hat Levi sich nach ihrer Beobachtung anfänglich schwerer getan. «Für ihn war wesentlich, dass ich meine Ausbildung nicht auf der gleichen Station wie er machte.» Doch die Skepsis verflog. «Mit der Zeit habe ich es lustig gefunden, dass wir uns zuwinken konnten oder meine Mutter mich dann und wann in der Cafeteria auf einen Kaffee eingeladen hat», sagt Levi.
Geschafft! Mutter Yvonne Zurbrügg und ihr Sohn Levi stossen auf den Abschluss ihrer Ausbildung an, die sie mit Bravour gemeistert haben.
Bis der Vater das Thema wechselte
Auch wenn sie gleichzeitig am gleichen Ort das gleiche lernten, der Beruf hat ihr Verhältnis nicht überbelastet. «Es war wichtig, dass Levi und ich privat unser eigenes Leben weiterlebten», betont Yvonne Zurbrügg. Natürlich hätten sie sich hie und da zu Prüfungsfragen ausgetauscht und am Mittagstisch über fachliche Themen diskutiert. «Dann sagte mein Mann schon mal, ‹es reicht jetzt, lasst uns über etwas anderes reden›», erklärt Yvonne schmunzelnd.
Und wer hat nun den besseren Abschluss nach Hause gebracht? Die beiden lachen. «Wir haben exakt die gleiche Note erreicht», betont Yvonne, «Levi war etwas besser in der schriftlichen Prüfung, ich im praktischen Teil.» Welche Note es war, wollen die zwei nicht preisgeben. Verraten sei nur so viel: Sie liegt weit über einem «genügend».
Yvonne Zurbrügg bei der Arbeit im Seniorenpark Frutigen. «Mir gefällt der Kontakt mit den Leuten, in kaum einem anderen Beruf ist man ihnen so nahe wie in der Pflege.»
Spitex und Europareise
Nach dem erfolgreichen Lehrabschluss trennen sich die beruflichen Wege von Yvonne und Levi. Sie wird Mitte August bei einer Spitex-Organisation eine Ferienvertretung übernehmen, «um zu schauen, ob mir die Arbeit gefallen könnte». Er packt bald seinen Rucksack und wird mit Interrail durch Europa reisen. Auf Mitte September ist die Rückkehr ins Spital Frutigen vorgesehen. Mittelfristig kann sich Levi vorstellen, ein Physiotherapie-Studium an seine bisherige Ausbildung anzuhängen. Die Nähe zu den Menschen wollen die beiden offensichtlich auch in Zukunft nicht missen.
Fachperson Gesundheit
Fachfrauen und Fachmänner Gesundheit (FaGe) betreuen Menschen in ihrem Alltag oder während Krankheiten und Verletzungen. Sie arbeiten in Spitälern, in Heimen und anderen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens. Dort übernehmen sie insbesondere Aufgaben in der Pflege und Ernährung. Die Bandbreite reicht von der Körperpflege über die Unterstützung beim Essen bis zu medizinischen Tätigkeiten wie Medikamente verabreichen, Wunden versorgen usw. Die Lehre zur Fachperson Gesundheit dauert drei Jahre. Personen, die bereits einen anderen Abschluss haben und über Praxiserfahrung im Gesundheitswesen verfügen, können die auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung absolvieren.
Zu den Personen
Yvonne und Levi Zurbrügg wohnen in Adelboden. Yvonne ist 51-jährig, verheiratet und hat neben dem 19-jährigen Levi noch zwei ältere Kinder. In ihrer Freizeit ist die Familie oft sportlich unterwegs. Die Interessen reichen von Berg- über Velo- bis zu Skitouren. Während Yvonne daneben regelmässig Gitarre spielt und dazu singt, geht Levi im Sommer joggen und im Winter snowboarden.
Kommentare
Erinnerst du dich noch an unsere Lehrzeit im 1992, Yvonne? LG Katja